Root Cause Analysis in der Prozessindustrie: Ereignisse verstehen, daraus lernen, und zukünftig verhindern.

878 494 Walter Rodriguez Hernandez

Bohpal, Seveso und Deepwater Horizon sind geschichtsträchtige Ereignisse in der chemischen Industrie, die vielen allein beim Namen ein Bild oder sogar direkt die Geschichte in den Sinn rufen. Sei es aus dem schieren Ausmaß des Ereignisses, den teilweise noch heute nachweisbaren Nachwirkungen (Bohpal), den resultierenden Regulierungen und Gesetztestexten (Seveso) oder auch dramatisch in Szene gesetzte Kinofilme (Deepwater Horizon). Diese Ereignisse sind bis ins kleinste Detail aufgeklärt worden, um den Ereignisverlauf und die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen und zukünftig verhindern zu können. Wie sieht es aber bei, bezogen auf die genannten Beispiele, scheinbar unspektakulär wirkenden Ereignissen aus? Reden wir von einem undichten Wärmeübertrager, der immer unauffällig war, ein Rohrplatzer an einer ungewöhnlichen Stelle oder einfach eine Häufung von unscheinbar wirkenden Unfällen, wie Fingerschnitten oder kleinen Quetschungen. All diesen Ereignisse können große Auswirkungen nach sich ziehen, wenn man ihnen nicht die entsprechende Aufmerksamkeit widmet und den Ursachen auf den Grund geht.

Bleiben wir bei einer Undichtigkeit an einem Wärmeübertrager oder an einer Rohrleitung. Liegt hier womöglich ein neuer Korrosionsmechanismus vor, weil ein neues Edukt eingesetzt worden ist, oder haben sich Prozessparameter geändert? In komplexen prozesstechnischen Anlagen können scheinbar kleine Änderungen nur bedingt berechenbare Auswirkungen haben. Somit kann ein scheinbar kleines Ereignis womöglich der Vorbote für ein größeres Schadensszenario sein.

Umso wichtiger ist es Ereignisse umfassend aufzuklären. Die zielführendste Methode hierfür, ist die Root Cause Analysis (RCA). Mit dieser Analysenmethode werden die Ursachen von Fehlern aufgeklärt und gezielt Maßnahmen definiert, um das Problem nachhaltig zu beheben, anstatt nur affektisch zu handeln. Durch die kontinuierliche Anwendung von RCA können Prozesse verbessert und die Qualität von Produkten und Dienstleistungen gesteigert werden. RCA ist in vielen Branchen weit verbreitet, darunter Fertigung, Gesundheit, IT und Projektmanagement und spielt eine entscheidende Rolle bei der Qualitätssicherung und Prozessoptimierung.

In einem interdisziplinären Team mit einer externen moderierenden Person wird zunächst eine möglichst detaillierte Faktensammlung angefertigt. Ein tiefes Verständnis des Problems ist entscheidend, um die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Eine fehlerhafte Problembeschreibung kann zu ungenauen Analysen und ineffektiven Lösungen führen. Daher ist es wichtig, dass alle Beteiligten ein klares und einheitliches Bild des Problems haben. Die Datenerfassung sollte umfassend und systematisch sein, um alle Aspekte des Problems abzudecken. Dies beinhaltet sowohl quantitative Daten wie Zahlen und Statistiken, als auch qualitative Informationen, wie Erfahrungsberichte und Beobachtungen.

Um die Ursachen nach der Faktensammlung zu identifizieren, werden Techniken wie der „5-Why“-Ansatz, Fehlerbaumanalyse oder Ursache-Wirkungs-Diagramme, auch Fischgräten-Diagramme genannt, verwendet. Der „5-Why“-Ansatz ist eine einfache, aber effektive Methode, bei der durch wiederholtes Fragen nach dem „Warum“ tieferliegende Ursachen aufgedeckt werden. Ursache-Wirkungs-Diagramme helfen, komplexe Zusammenhänge visuell darzustellen und strukturiert zu analysieren. Ziel ist es, die primäre Ursache zu finden, die das Problem ausgelöst hat, und nicht nur oberflächliche Symptome zu betrachten.

Zusammenfassend ist die Root Cause Analysis ein unverzichtbares Werkzeug für Organisationen, die ihre Leistung verbessern und Probleme nachhaltig lösen möchten. Durch die systematische Analyse und das Verständnis der zugrundeliegenden Ursachen können nicht nur aktuelle Probleme gelöst, sondern auch zukünftige Herausforderungen proaktiv angegangen werden. RCA fördert eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung und Innovation, indem sie Organisationen befähigt, aus Fehlern zu lernen und ihre Prozesse kontinuierlich zu optimieren.