Alternative Brennstoffe für die Industrie

878 494 Stefanie Moschkau

Auch wenn die Erdgasspeicher der Bundesrepublik aktuell komplett gefüllt sind, kann es trotzdem innerhalb weniger Wochen zu den befürchteten Engpässen bei der Erdgaslieferung kommen. Die Industrie steht also nach wie vor unter einem hohen Zeitdruck, eine sichere Alternative zu finden und vor einer möglichen Unterbrechung der Gasversorgung Umrüstungsmaßnahmen zu treffen und geeignete Ersatzbrennstoffe zu finden, um eine Produktionsunterbrechung oder ggf. mögliche Werksschließungen zu vermeiden.

Möglicherweise geeignete Alternativen sind:

  1. Heizöl; insbesondere, wenn im Bestand noch alte Tanks vorhanden sind, die nur ertüchtigt werden müssen; da Heizöl nach § 62 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes zu den wassergefährdenden Stoffen zählt, müssen hierzu ggf. besondere Anforderungen beachtet werden
  2. SNG (Snythetic Natural Gas): „künstliches“ Erdgas, das als Gasgemisch aus Propan oder LPG, gemischt mit Stickstoff oder Luft, erzeugt werden kann; hier ist eine Umstellung meist relativ kurzfristig möglich, da in der Regel bestehende Infrastruktur (Brenner und Rohrleitungen) weiterverwendet werden können
  3. Umrüstung auf Wasserstoff oder andere grüne Energieträger; dies ist eher eine mittelfristige Lösung, schafft dafür aber Unabhängigkeit von Lieferanten

Heizöl

Aufgrund der Gasmangellage wurde vom Gesetzgeber eine neue Verordnung erlassen, die es Betreibern einfacher macht, Heizöl als Übergangslösung zu nutzen.

Die Sonderverordnung „Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen anlässlich eines Brennstoffwechsels wegen einer ernsten oder erheblichen Gasmangellage (Brennstoffwechsel-Gasmangellage-Verordnung – BG-V)“ gilt für die Errichtung, die wesentliche Änderung, die Inbetriebnahme einer Anlage, die erneute Inbetriebnahme einer Anlage nach Stilllegung und den Betrieb der folgenden Anlagen sowie von deren Anlagenteilen, soweit im Rahmen eines Brennstoffwechsels aufgrund einer ernsten oder erheblichen Gasmangellage zur Nutzung des gewechselten Brennstoffes oder zur Erweiterung der Lagerkapazität für den vorgesehenen Brennstoff erforderlich sind:

  1. Lageranlagen,
  2. Abfüllanlagen und
  3. Verwendungsanlagen.

Ausgenommen von der Sonderverordnung sind Fass- und Gebindelager sowie Anlagen innerhalb eines Schutzgebietes. Alle weiteren Vorschriften der AwSV bleiben unberührt.

Details zur Verordnung finden sich auch in unserer aktuellen Technischen Mitteilung.

SNG – Snythetic Natural Gas

Eine weitere Möglichkeit zum bisherigen Erdgas kann SNG (Synthetic Natural Gas) sein.

SNG ist ein „künstliches“ Erdgas, das als Gasgemisch aus Propan oder LPG, gemischt mit Stickstoff oder Luft, erzeugt werden kann. Da die Zusammensetzung von SNG ähnliche Brennwerte wie natürliches Erdgas aufweist, muss die bestehende Infrastruktur des Unternehmens, nur ergänzt werden.

Mit einem Propan/Luft-Gasmischsystem anstelle von Erdgas oder zur Unterstützung bei Erdgas-Lieferreduzierungen müssen vorhandene Komponenten genauer gesagt Brenner und Rohrleitungen, in der Regel nicht geändert oder modifiziert werden.

SNG-Systeme werden im Prinzip wie folgt ausgeführt:

  1. Flüssiggas-Behälter mit Pumpe und Verdampfer-Anlage,
  2. Gas-/Luft-Mischanlage in angepasster Leistung für die Brennwerte,
  3. Erzeugung von analog vorhandenem Erdgas, gegebenenfalls mit Wobbe-Regelung.

Das System wandelt flüssiges Propan oder LPG in Gas um und mischt es mit Luft oder Stickstoff in einem einstellbaren Verhältnis. Der große Vorteil von SNG ist, dass eine unterbrechungsfreie Energieversorgung und damit eine durchlaufende Produktion innerhalb der Anlage ermöglicht wird. Nichtsdestotrotz müssen Betreiber einige Rahmenbedingungen beachten und vor dem Einsatz von SNG bestimmte Prüfungen vornehmen.

Weitere Details zu SNG finden Sie in unserem Artikel in der CHEMIE TECHNIK.

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Randbedingungen

Platzangebot

Der Energiebedarf bestimmt den Platzbedarf für eine SNG-Lösung. Es wird ein Stellplatz bzw. Domschacht für den Behälter benötigt. Auch die Entladung über Tanklastzug oder Schiene muss sichergestellt sein, etwa durch eine Entladestation mit Füll- und Pendelanschluss. Der benötigte Flüssiggasverdampfer und die Druckregelstation finden häufig in einem 20-Fuß-Container Platz. Die Gas-/Luft-Mischanlage mit Steuerung im getrennten Bereich wird je nach Gasmenge und lokalen Gegebenheiten im Feldschrank, Gestell oder 30-Fuß-Container installiert.

Behördliche Auflagen Behälter

Bei einem Einsatz eines Flüssiggas-Behälters von ≥ 3 t Lagerkapazität wird ein Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz erforderlich. Details dazu sind in der 9. Bundesimmissionsschutz-Verordnung geregelt. Bei einem 29 t Behälter (≥ 9 t und < 30 t) ist ein vereinfachtes Verfahren ohne eine öffentliche Auslegung erforderlich. Grundsätzlich gelten die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) 3146 „Ortsfeste Druckanlagen für Gase“ für das Errichten, Aufstellen, und Befüllen. Gemäß § 3 Betriebssicherheitsverordnung und § 6 Gefahrstoffverordnung sind alle Gefährdungen zu ermitteln, die beim Errichten, Aufstellen, Befüllen, Lagern, Entleeren, Instandhalten, Stillsetzen und Demontieren von ortsfesten Druckanlagen für Gase auftreten können. Zur Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gasen siehe Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 407.

Bei einem 165 t Behälter ist ein förmliches Verfahren mit einer öffentlichen Auslegung erforderlich. Grundsätzlich gelten die TRBS 3146 „Ortsfeste Druckanlagen für Gase“.

In jedem Fall ist zu prüfen, ob durch den zusätzlichen Einsatz von Propan / Flüssiggas Mengenschwellen im Sinne der Störfallverordnung überschritten werden. Hieraus könnten sich zusätzliche Dokumentations- und Prüfpflichten ergeben

Die Lagerung von Propan fällt ab 50 t bereits unter die Störfallverordnung, d. h. Anlagen, die bisher keine Störfallanlage waren, fallen dann erstmalig unter die Anforderungen der Störfallverordnung, unabhängig davon, welche störfallrelevanten Stoffe sonst noch gehandhabt werden.

Pumpe und Verdampfer

Propan oder LPG kann den Brennern nicht direkt und unvermischt zugeführt werden, da diese im Regelfall dafür nicht ausgelegt sind. Propan hat einen deutlich höheren Heizwert als Erdgas. Der Heizwert ist die Energie, die bei der Verbrennung eines Kubikmeters Gas (in der Form von Wärme) freigesetzt wird. Der Heizwert für Propan – unterer Heizwert (Hu) – liegt bei 25,48 kWh/m³. Für Erdgas liegt der Heizwert (Hu) für L-Gas bei 8,87; für H-Gas bei 10,475 kWh/m³. Die in den Industrieunternehmen vorhandenen Brenner sind üblicherweise für Erdgas ausgelegt, können daher Propan nicht ohne weiteres verarbeiten und müssen zuvor umgerüstet oder ausgetauscht werden. Neben den dafür anfallenden Kosten treten Ausfallzeiten für Abkühlen, Umbau, Aufheizen auf.
Um diesen ggfs. mehrfachen Umbau und die damit verbundenen Ausfälle und Unwägbarkeiten zu vermeiden, kann das Propan auf Erdgasqualität mit Luft oder Stickstoff auf den Heizwert des Erdgases in einer Gasmischanlage zu einem Substitut abgemischt werden. Das entstehende Gasgemisch wird SNG – Synthetic Natural Gas genannt.

Erforderliche Prüfung durch den Betreiber

Durch den Betreiber (oder seine beauftragten Lieferanten / Experten / Sachverständige) müssen mindestens die nachfolgenden Punkte geprüft werden.

Brennereignung

Übliche Erdgas-Brenner können ein Gasgemisch von Propan / Luft bzw. Propan / Stickstoff meist ohne Probleme verarbeiten. Die Flammenform verändert sich, da sich auch die Volumenströme des Brenngases ändern. Der Energie-Eintrag in den Prozess wird aber gemäß des berechneten (und/oder gemessenen) Heizwerts eingestellt und ist mit dem bisherigen Erdgas-Energie-Eintrag identisch.

Sofern der Prozess auf die Einhaltung der Flammenform (z. B. Flammen-Länge, Temperatur an bestimmter Stelle, Temperaturverteilung) angewiesen sind (z. B. beim Flammenpolieren) gibt es hierfür ebenfalls Lösungen.

Für Propan ohne Zumischung weiterer Gase sind typische Brenner üblicherweise nicht geeignet. Wie oben erläutert ist meist eine Umrüstung bestehender Brenner auf andere (gasförmige) Brennstoffe als Erdgas möglich.

Prüfung bestehendes Werksnetz

Die Fragestellung, ob eine Gasmischanlage auch nach der Übergabestation das Propangemisch einspeisen kann, also ob das bestehende Werksnetz mit Durchmischung mit dem bereits dort befindlichen Erdgas genutzt werden kann, ist im Regelfall positiv zu bescheiden, nichtsdestotrotz zu prüfen.

Bei sorgfältiger Betrachtung müssten neben den Brennern, Abgasbehandlung, und Thermoprozessanlage ebenfalls die Rohrleitungsmaterialien, Armaturen und Elastomere des Versorgungsnetzes betrachtet und anlagenspezifisch durch den Betreiber beurteilt werden.

Langfristige Ersatzbrennstoffe

Hierunter fallen beispielsweise grüner Wasserstoff oder andere nachhaltige Energieerzeugungskonzepte, wie Festbrennstoffe.

Auch eine Energetische Optimierung von Prozessen oder eine allgemeine Anlagenoptimierung kann die Unabhängigkeit von Erdgaslieferungen erhöhen.

Wir unterstützen Sie gerne im Hinblick auf die technischen und rechtlichen Fragestellungen sowie die Lieferung von Gasmischanlagen.

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