Energieeffiziente Kläranlagen mittels Elektrolyse – Wasserstoff als Energieträger

878 494 Stefanie Moschkau

Als zentrale Infrastruktur werden Kläranlagen rund um die Uhr jeden Tag des Jahres betrieben. Dabei ist der Strombedarf enorm:

„Im Durchschnitt liegen die spezifischen Stromverbräuche nach unseren Informationen wie folgt bei:

  • Größenklasse 1 < 1.000 EW 75 kWh/EWxa
  • Größenklasse 2 > 1.000 – 5.000 EW 55 kWh/EWxa
  • Größenklasse 3 > 5.000 – 10.000 EW 44 kWh/EWxa
  • Größenklasse 4 > 10.000 – 100.000 EW 35 kWh/EWxa
  • Größenklasse 5 > 100.000 EW 32 kWh/EWxa

Die Größenklassen 4 und 5 haben zwar hinsichtlich der Anzahl nur einen Anteil von 22 Prozent an den 10.000 Kläranlagen, sie behandeln aber über 90 Prozent der Einwohnerwerte und verursachen etwa 87 Prozent des gesamten Stromverbrauchs.“

  • KWh/EW x a: verbrauchte Kilowattstunden pro angeschlossenen Einwohnerwerten und Jahr
  • Der Einwohnerwert (EW) ist definiert als die durchschnittliche Belastung des Abwassers eines Einwohners mit biologisch abbaubaren Stoffen.
    • Abwasser der Bevölkerung sowie dem Abwasser aus Gewerbe- und Industriebetrieben
    • ~ 127 Millionen Einwohnerwerte in Deutschland

(Quelle: „Hintergrund – Energieeffizienz kommunaler Kläranlagen“, Umweltbundesamt, 2009, https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/energieeffizienz-kommunaler-klaeranlagen)

Zum Vergleich: Ein Zwei-Personen-Haushalt verbraucht durchschnittlich 2.500 kWh pro Jahr.

Um einen Teil der zur Abwassersäuberung benötigten Energie selbst erzeugen zu können betreiben viele Klärwerke ein Blockheizkraftwerk, in dem das in den Faultürmen entstandene Faulgas in Strom und Wärme umgewandelt wird.

Nun geht die Stadtentwässerung Hannover aber noch einen weiteren Schritt. Sie plant für das Klärwerk Herrenhausen eine umfangreiche Erweiterung um eine Elektrolyse-Anlage zur Produktion von Wasserstoff. Das Niedersächsische Wasserstoff Netzwerk beschreibt das Vorhaben wie folgt auf seiner Website:

„Zukunftsweisend an diesem Leuchtturmprojekt ist vor allem die Sektorenkopplung. So will die Stadtentwässerung primär den Sauerstoff zur Abwasseraufbereitung nutzen, der bei der Produktion von Wasserstoff als Nebenprodukt entsteht. Derzeit wird dieser in den meisten Klärwerken mit Turboverdichtern aus der Umgebungsluft gewonnen – ein Prozess, für den ein Großteil des Energieverbrauchs des Klärwerks nötig ist. Neben den Belebungsbecken stehen Filtratwasser und Ozon bei einer vierten Reinigungsstufe im Fokus des Projektes. Mit dem produzierten Wasserstoff selbst sollen u. a. ab 2023 Busse der ÜSTRA und regiobus Hannover GmbH angetrieben werden, um Emissionen in Hannovers öffentlichem Nahverkehr zu senken.

[…]

Als Energiequelle für die Elektrolyse wird ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien verwendet, sodass die gesamte Wertschöpfungskette CO2-neutral aufgestellt ist. Darüber hinaus nutzt die Stadtentwässerung für die Wasserstoffproduktion Betriebswasser statt wertvollem Trinkwasser und leistet so einen zusätzlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit.“

(Quelle: https://www.wasserstoff-niedersachsen.de/stadtentwaesserung-hannover/, zuletzt aufgerufen: 03.11.2021)

Diese Vorgehensweise könnte eine Vorlage für andere Kläranlagen werden, um die eigenen Prozesse in Hinblick auf die Energieeffizienz zu optimieren und damit auch gleichzeitig einen entscheidenden Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.

Die Verwendung von Wasserstoff ist jedoch bekanntermaßen nicht ungefährlich. Nicht ohne Grund ist es einer der gelisteten Stoffe in der Störfallverordnung. Betreiberpflichten zum Betrieb einer Wasserstoffanlage können daher deutlich umfangreicher sein als die von Kläranlagen. Maßgeblich ist hierbei vor allem die gehändelte Menge H2.

„Die maximale Flammengeschwindigkeit von Wasserstoff ist zirka acht Mal größer als die der kohlenwasserstoff-basierten Gase. Dies erklärt die Tendenz zu hohen Brenngeschwindigkeiten und auch die möglichen Umschläge in Detonationen.

[…]

Verbrennt reiner Wasserstoff in Luft, ist die Flamme bei Tageslicht kaum sichtbar. Die Flamme ist durch eine vergleichsweise geringe Wärmestrahlung, dafür aber mit einem höheren UV-Anteil charakterisiert.

[…]

Die unsichtbare Flamme ist über 2000 Grad C heiß und kann in Abhängigkeit vom Ausströmdruck Längen von bis zu 30 m haben; dabei gibt sie nur eine geringe Wärmestrahlung ab. Es besteht deswegen die Gefahr, dass man sich ihr unbewusst zu sehr nähert.“

(Quelle: „Wasserstoff und dessen Gefahren Ein Leitfaden für Feuerwehren“, Bearbeitungsstand: Oktober 2008, Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren)

Dies macht deutlich, weshalb der Brandschutz und Explosionsschutz eine besondere Rolle beim Betrieb von Wasserstoffanlagen einnehmen. Die Vorschriften zur Lagerung von Wasserstoff sind unter anderem in der TRBS 3145 / TRGS 745 (ortsbewegliche Behälter) und der TRBS 3146 / TRGS 746 (ortsfeste Druckanlagen) zu finden.

Die weyer gruppe durfte im Jahr 2021 bereits über zehn Projekte betreuen, in denen unsere Projektingenieure der verschiedenen Disziplinen die Kunden bei der Planung oder des Betriebs von Elektrolyse-Anlagen oder Wasserstofftankstellen unterstützten. Eines davon beschreiben wir in unserem Artikel „Wasserstoff als Energiespeicher“.

Wenn auch Sie in der Überlegung sind ungenutzte Energie mittels Wasserstoffes zu speichern, sprechen Sie uns gerne an:

Dr. Klaus Wörsdörfer
weyer gruppe | horst weyer und partner gmbh
Tel.: +49 2421 69 09 11 52
E-Mail: k.woersdoerfer@weyer-gruppe.com