Corona und Digitalisierung Artikelreihe

Digitale Transformation, Automatisierung, Robotik und Co: Deutsche Industrie in der Corona-Krise

878 494 Maresa Matejit-Papka

Dies ist Teil fünf aus unserer Artikelreihe “Die Corona-Krise als Treiber der Digitalisierung”. Lesen Sie hier die weiteren Teile der Artikelserie.

Eine Krise kann Chance und Herausforderung zugleich sein. Eins deckt die Corona-Pandemie besonders deutlich auf: Die Digitalisierung ist in Deutschland nicht so weit fortgeschritten, wie sie sein könnte. Deutschland hat Defizite in vielen Bereichen der Digitalisierung: Digitales Arbeiten, digitale Geschäftsmodelle, e-Learning sowie digitale Lösungen für das Gesundheitssystem und für die Verwaltung sind einige Beispiele. Der Wettbewerbsvorteil von Organisationen, die in der Vergangenheit in diese Bereiche investiert und sich weiterentwickelt haben, kommt in Zeiten von Kontaktsperren und weiteren Schutzmaßnahmen umso deutlicher zum Vorschein.

Organisationen und Unternehmen, die die Weiterentwicklung ihrer digitalen Strategie vernachlässigt haben, nun aber flexibel reagieren und schnell Entscheidungen treffen, können die Krise dennoch für sich nutzen. An vielen Stellen in der deutschen Wirtschaft ist dies bereits geschehen. Knapp die Hälfte der Unternehmen, die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) befragt wurden, sagen aus, dass die beschleunigte Automatisierung der Bereich ist, der in ihrem Unternehmen am stärksten von der Corona-Krise beeinflusst wird.

Umfragen bestätigen Fokussierung auf digitale Transformation in der Industrie

Constantin Gall, Partner und Leiter des Bereichs Transaction Advisory Services bei EY, schätzt die Befragungsergebnisse wie folgt ein: „Ein weiteres Ergebnis der aktuellen Krise wird die Erkenntnis sein, dass die digitale Transformation noch viel zügiger umgesetzt werden muss. Ohne ein funktionierendes digitales Geschäftsmodell wird es zukünftig nicht mehr gehen. Schonungslos wurden in den vergangenen Wochen auch die Schwachstellen in den Lieferketten aufgedeckt. Auch hier werden viele Unternehmen schnell nachbessern.“ Seiner Meinung nach reicht eine Digitalstrategie also nicht mehr aus, vielmehr sollte das Geschäftsmodell eines Unternehmens digitalisiert werden.

Eine ähnliche Studie von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut unterstreicht das Ergebnisse der EY-Umfrage: Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen treibt während der Krise die Bereiche Digitalisierung und Automatisierung stärker voran. Urs M. Krämer, CEO von Sopra Steria ordnet dies in die jüngsten Entwicklungen ein: „Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren unter anderem große Summen in Digitalisierung und den Umbau ihrer Geschäftsmodelle investiert. Das kann sich in der Corona-Pandemie positiv auswirken, denn sie beschleunigt jetzt die digitale Transformation. In der folgenden Normalisierungsphase ist zu erwarten, dass sich sichtbare Verbesserungen in Form von neuem Geschäft, schnelleren Abläufen, geringeren Kosten oder vereinfachtem Arbeiten einstellen.“

Digitale Transformation und Automatisierung als schlagender Wettbewerbsvorteil

Digitale Transformation und Automatisierung hängen in Produktionsunternehmen und in der fertigenden Industrie stark miteinander zusammen. Eine höhere und optimierte Automatisierung kann sowohl Fertigungs-Output und Produktqualität verbessern, als auch Prozesse weniger stark abhängig von Arbeitsausfällen machen. Digitale Lösungen erleichtern beispielsweise die Prozess- und Produktoptimierung, dank Daten und deren Auswertung, und begünstigen neue Vertriebswege und Prozessabwicklungsmechanismen.

Jens Rohde, Experte für digitales Prozessmanagement von Sopra Steria Next begründet dies so: „Viele Geschäftsprozesse laufen heute IT-unterstützt ab. Durch Datenspuren ist es viel leichter zu ergründen, wie sich ein Prozess beschleunigen oder der Aufwand reduzieren lässt“. Arbeitsabläufe mit einem hohen Maß an Digitalisierung und Automatisierung lassen sich in Krisen-Zeiten sehr viel flexibler einsetzen und leichter reorganisieren, so der Experte weiter. Diese Unternehmen haben in der Pandemie mehr Möglichkeiten, erklärt Rohde: „Sie können per Fernzugriff oder teilautomatisiert weiterlaufen. Auch die Priorisierung von Ressourcen geht bei transparenten Prozessen deutlich leichter von der Hand.“

Robotik als Chance für die inländische Produktion

Der Bereich Robotik profitiert zurzeit stark von der Krise. Die Nachfrage an Robotern hat sich vor allem in Krankenhäusern und Heimen stark erhöht. Ob bei der Auslieferung von Medikamenten in China, bei der Überwachung von Ausgangsbeschränkungen in Tunesien oder als Putzhilfe in Dänemark: Roboter sind vielseitig einsetzbar und zeigen im Falle einer Pandemie ihre Vorteile. Sie werden vor allem dort eingesetzt, wo sie Menschen Arbeit abnehmen können, bei denen sich diese anstecken könnten, folglich in Krankenhäusern, Heimen, Laboren und Lagern. Zukunftsforscher Sven Gabor Janszky rechnet mit einem „starken Schub für Dienstleistungsroboter“ ausgelöst durch die Corona-Krise.

Der dänische Firma Blue Ocean Robotics zufolge, ist die Nachfrage geradezu explodiert. Auch die chinesische Firma ZhenRobotics sieht mittlerweile eine Verdreifachung der üblichen Nachfragemenge. Aber nicht nur in der Medizin und Pflege werden Roboter verstärkt nachgefragt, auch die Industrie will sich verstärkt Roboter zunutze machen, um erstens das Infektionsrisiko bei der Produktion zu senken und zweitens die Anhängigkeit von globalen Fertigungs- und Lieferketten zu reduzieren. Diese Ketten sind während der Krise zusammengebrochen und kommen aufgrund der stark unterschiedlichen Infektionssituationen in den einzelnen Ländern nur schwer wieder auf die Beine.

Mit dem Einsatz von Industrierobotern wird die Produktion in Industrieländern wieder attraktiver und wettbewerbsfähig. Dalia Marin, ehemalige Professorin für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der LMU München, formuliert es in ihrem Gastbeitrag auf Spiegel Online provokativ: „Die Rechnung ist einfach: Ein Unternehmen in Deutschland müsste einem deutschen Arbeiter viel mehr zahlen, als eine Arbeitskraft in China verdienen würde. Ein deutscher Roboter aber fordert überhaupt keinen Lohn, ganz zu schweigen von Sozialleistungen wie Krankenversicherung oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.“ Zudem führt eine inländische Produktion zu höherer Sicherheit – ein Faktor, der seit der Finanzkrise 2008 und nicht nur in Zeiten von Corona erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft hat.

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